The Party Is Over

Genauso wie man dem Älterwerden nicht entkommt, so entkommt man auch diesem ganzen Fußball-EM-Zirkus nicht. Schon gar nicht, wenn man als Deutscher in Österreich lebt. – Und ja, dieser blöde Hitler hat uns auch noch den Schnauzer versaut, nicht?

"Gut, dass die Deutschen raus sind" sagte eine ältere Dame mitten in einem Smalltalkgeplänkel zu mir "Gut, dass die Deutschen raus sind, sonst hieße es wieder "Deutschland, Deutschland über alles" und das hatten wir ja schon einmal."

Vor mir ein Mann, der seinen Lebensmittelpunkt gerne an die italienische Meeresküste verlegen möchte, um dort in Ruhe zu schreiben und einer, der (s)eine Hochzeit in Las Vegas anstrebt, mit einer noch nicht näher bekannten Dame. Beide gefährdeten für kurze Zeit meine Männerdiät und meinen Gleichgewichtssinn, während rechts und links von mir kunstaffines, kulturschaffendes, schreibendes, produzierendes, darstellendes Publikum einen rollenden Ball verfolgte und zwischendrin "Ahh" und "Ohh" schrie und hinter mir, nicht zu vergessen, das Mädchen, das immer zu große Schuhe trug, genauer High Heels, was ich so bemerkenswert komisch fand, dass ich im Grunde sowieso nie zum Fußball schauen kam, sondern frizzanteberauscht über Mode- und Liebesfragen und die romantische Idee von der "Schriftstellergattin in weiß" philosophierte – das war sie, die EM 2012! Also für mich.
Zum Glück ist sie vorbei, weniger wegen der gefährdeten Moral, dafür hat die Kirche die Beichte eingeführt, man kann sich jederzeit wieder freibeten und dem erhöhten Alkoholkonsum oder den emotionalen Männern, nein vielmehr weil die Auswirkungen der deutsch-österreichischen Hassliebe, die bei solchen sportlichen Ereignissen regelmäßig ihren Siedepunkt erreicht, doch ziemlich anstrengend sind. Nicht einmal in Geschäftsbeziehungen war man vor Kommentaren und Beileidsbekundungen gefeit, obwohl ich sicher nicht wie eine Frau aussehe, die sich ganz besonders für Fußball interessieren würde, dachte ich zumindest, man nahm es aber aufgrund meiner Staatsangehörigkeit an.

Zwar will das mit der Völkerverständigung im großen Stil noch nicht so recht klappen, aber immerhin kann man bei solchen nationenübergreifenden Ereignissen Anbahnungen neuer Liebschaften, Affären und Beziehungen beobachten, heißen wir sie also gut, im Namen der Liebe. Allerdings tauschte Frau sich auch gleich über erfolgreiches Beenden solcher "Trallalas" aus, Romantik ist heutzutage ja etwas, was man sich mit der Post bestellt, aber nicht daran glaubt. Obwohl ich immer wieder Herren treffe, die von sich steif und fest behaupten, dass sie romantisch wären. Ich möchte niemandem zu nahe treten, aber Männer, die ständig erklärten, was sie alles sind und was nicht, waren am Ende immer der blanke Horror und mehr oder weniger genau das Gegenteil ihrer Aussagen. "Weißt du, ich mache das jetzt immer mit einer österreichischen Übersetzung" verkündete mir die eine, als es darum ging, wo die Unterschiede im Beenden einer Affäre bei Deutschen und Österreichern sind. "Ich plädiere zunächst für Offenheit und sage: Eine Beziehung wird es nicht, für eine Affäre reicht es nicht und Freunde haben wir beide genug und liefere dann den österreichischen Nachsatz: Dennoch freue ich mich, dich in meinem Bekanntenkreis zu haben und auch jedesmal, wenn ich dich sehe." Es ist und bleibt eben eine komplizierte Sache mit den beiden Nachbarländern und beide Seiten sezieren mit einer Genüsslichkeit genau das. Einig war man sich aber zumindest darin, dass ein Moorochse zu Wurst verarbeitet etwas Wunderbares ist und ich überlegte, ob Elvis eigentlich eifersüchtig auf meine Frisur wäre, wenn ich am Traualtar vor im stünde?

Notizen…  
Mein neues Hausgetränk: "Veilchenprosecco" – ein Schuss Veilchensirup oder -likör + Prosecco + einen Spritzer Limonensaft. Mit Limonenscheibe, frischer Pfefferminze und Eiswürfeln anrichten. – lila, lila, lila ist dieser Sommer!
Lesen Sie!: …und zwar Clemens Berger: www.clemensberger.at